Hanoch Levin: Das Kind träumt (הילד חולם)
Im ersten der vier Teile des Stücks brechen Soldaten in die heil(ig)e Welt von Vater, Mutter und Kind ein, töten den Vater und schicken Mutter und Kind mit anderen Flüchtlingen auf die Flucht vor dem Tod. Die Unvermitteltheit der Gewalt und die Probleme der Flüchtlinge, ein Schiff im zweiten Teil zu finden, das sie mitnimmt zu einer Insel, die sie im dritten Teil nicht aufnehmen wird, arbeitet mit Assoziationen an die nationalsozialistische Judenverfolgung, ohne sich historisch eindeutig dort zu verorten. Es könnte auch in vielen anderen Situationen politischer Verfolgung und Flucht sich assoziativ verorten lassen. Im zweiten Teil verliert das Kind die Mutter, die mit dem Kapitän schläft, um auf dem Schiff für die beiden Plätze zu bekommen. Im dritten Teil wäre der Gouverneur der Insel aus Öffentlichkeitswirksamkeit bereit, das Kind aufzunehmen, doch es weigert sich, die Mutter zu verlassen. Es muss so mit den anderen Flüchtlingen zurückkehren zum Ort der Todesdrohung und wird von der Mutter im vierten Teil ins Land der Toten Kinder gebracht. Dort erscheint der mit dem Tod des letzten Kindes erwartete ‚Messias‘. Er bringt aber nicht die Erlösung, sondern wird von den Soldaten erschossen, wie der Vater im ersten Teil. Die Toten Kinder hoffen weiter, dass die Erlösung doch noch kommen werde.
Das Stück ist geprägt durch starke emotionale Brüche einerseits und einen grotesken Humor andererseits, die beide aus eine poetischen, verdichteten Sprache hervorgehen. Hanoch Levin (1943–1999) war der wichtigste israelische Theaterautor und -regisseur des 20. Jahrhunderts, der mit seiner gestischen Sprache und seinen die Gewalt in der Gesellschaft schonungslos offenlegenden Stücken bis heute das israelische Theater maßgeblich beeinflusst.
UA: 08.05.1993, Habima Nationaltheater, Tel Aviv, Israel, Regie: Hanoch Levin.
DSE: 13. Januar 2018, Theater Augsburg, R: Antje Thoms.
Aufführungsrechte beim Litag Theaterverlag